by John Chilver
published in The Happy Fainting of Painting, edited by Hans-Jurgen Hafner and Gunter Reski, Cologne, Verlag der Buchhandlung Walter Koenig, 2014, ISBN 978-3-86335-670-5, p62-67. This is a version of Disincarnated Painting, translated by Bert Rebhandl.
Die anspruchsvollste Malerei der letzten zwanzig Jahre wendet sich entschieden von denjenigen Identifikationen mit Materialität ab, die sowohl für die späte Moderne wie auch für die stilistische Postmoderne charakteristisch waren. Die Malerei gerät dadurch auf unerschlossenes Terrain. Indem sie sich von einer Materialität abkehrt, die früher mit den Objektqualitäten von Bildern assoziiert wurde, richtet sie sich neu aus: Gemälde unterliegen nun einer Dematerialisierung, während Materialität tatsächlich zunehmend mit Präsentation assoziiert wird (Abb. 1). Um dies zu verstehen, müssen wir zuerst einmal die Umstände des Modernismus untersuchen, in dem eine bestimmte Verknüpfung von Objekt und Bild praktiziert wurde.
Im Zuge ihrer modernen Geschichte erlangten Gemälde einen doppelten Status als Bild und Objekt. In der Hochphase der Moderne – sogar bis zu Kippenberger und Lasker in den 1980er-Jahren – war es ein beständiges Ziel, das Bild auf erfindungsreiche Weise mit seiner „Objektheit“ zu korrelieren. Dies war der Bereich des Bild-als-Objekts. Malerei hatte immer schon sowohl Bilder wie auch Objekte hervorgebracht. Aber vor der Moderne wurde die „Objektheit“ des Gemäldes allenfalls negativ als eine technische Voraussetzung begriffen, nicht positiv als eine affektive Dimension, die eine dialektische Beziehung mit dem daraus hervorgehenden Bild aushalten konnte. Natürlich hatte die Betonung der Objekt- Eigenschaft mit der Territorialisierung der Sphäre der Malerei in einen strategischen Rückzug von derjenigen der Fotografie zu tun. Diese Logik will ich nicht bestreiten. Allerdings möchte ich das Bild-als-Objekt aus der Perspektive der Präsentation [display] angehen. Wenn das Bild-als-Objekt ein zentraler Faden durch ein breites Feld transmoderner Malerei ist (er lässt sich durch den Kubismus und Konstruktivismus zu Schwitters, Pollock, Burri, Rauschenberg, Ryman, Stella, Palermo, Knoebel, Polke, Kippenberger, Lasker, Dunham und so weiter verfolgen), wie verstehen wir dann die Beziehung, die er zwischen dem Bild und dem Raum, in dem es präsentiert wird, stiftet?
Um diese Frage zu beantworten, wollen wir noch ein wenig weiter zurückgehen. Was wäre ein konkreter Hinweis auf die Umstände, unter denen die Materialität oder die „Objektheit“ von Gemälden in den Fokus rückte? Vielleicht begann das, als Gemälde zum ersten Mal ohne Rahmen gezeigt wurden. In ihrem Buch über Picasso aus dem Jahr 1938 beschrieb Gertrude Stein die Epoche von Picassos Kubismus mit den Worten: „... und nun wollten die Bilder ihren Rahmen sprengen“. [1] Die Entfernung des traditionellen Rahmens – der sowohl dazu gedient hatte, das Bild zu schützen und seinen virtuellen Raum von dem architektonischen Raum darum herum abzugrenzen – war schon in Seurats Praxis angelegt, durch chromatischen Kontrast einen gemalten Rand um seine Kompositionen abzugrenzen. John Russell beschrieb eine Studie zu Les Poseuses aus dem Jahr 1887:
„Die vertikalen Farbstreifen an den Rändern gingen allmählich in den Rahmen über, den Seurat selbst so malte, dass er zu dem Bild passte. Als Pissarro im Juni 1887 ihn in seinem Atelier besuchte war er davon sehr beeindruckt.“ [2]
Die Streifen an den vertikalen Rändern dieser Studie in Öl, von denen Russell spricht, waren eine Probe für einen gepunkteten Rahmen, der später angebracht werden konnte. Es geht also nicht darum, ob Seurat tatsächlich den physischen Rahmen abschaffte; in vielen Fällen tat er das nicht. Aber er setzte seine Vorstellungen in dieser Angelegenheit um, zum Beispiel in Le Chenal de Gravelines, Grand-Fort-Philippe (1890). Indem er einen visuellen Rahmen mit seinen farbigen Punkten abgrenzte, löste Seurat den Rahmen in sein malerisches Vokabular hinein auf. Er stellte die Frage, wie Gemälde ihre eigenen Rahmungen steuern und maßgeblich ihre Beziehung zu dem realen Raum der Präsentation bestimmen konnten.
Robert Rymans Werk gilt als Höhepunkt des Bild-als-Objekts. Nach Ryman (das bedeutet nach ungefähr 1975) macht die Annahme wenig Sinn, das Bild-als-Objekt könnte noch weiter gehen. In den 1980ern produzierte eine stilistisch postmoderne Malerei Hybride aus zum Beispiel Drip Paintings und pompöser Assemblage. Aber diese Erweiterung des Bild-als-Objekts schaffte es nicht, die Beziehung des Bildes zu dem Präsentationsraum in einem genuin analytischen Geist zu erschließen. Der Kontrast zu Ryman könnte kaum stärker sein. In seinem Werk gibt es nämlich nichts weniger als ein ausdrückliches Kooptieren der technischen Utensilien der Präsentation von Gemälden in die Konstitution eines Bildes, wobei es sich zugegebenermaßen um die schemenhaften Reste eines ikonisch ausgehungerten Bildes handelt. In Werken wie Untitled Drawing (1976), Express (1984), Leader (1987) und Catalyst III (1985) inkorporierte Ryman die Halterungen, die die bemalte Oberfläche mit der Wand verbanden, in die manifeste Struktur des Werks. In Leader ist die 101 x 101 cm große, quadratische Fiberglastafel weiß bemalt und durch vier Allen-Schrauben aus Stahl punktiert, die symmetrisch, allerdings nicht vollkommen regelmäßig angebracht sind. Auf diese Weise lenkte Ryman das Augenmerk auf die Halterungen, die einen flachen Gegenstand auf Augenhöhe an einer Wand festhielten, die jedoch davor nie zu sichtbaren Elementen des Bildes erklärt worden waren.
„Das Nachdenken über die Halterungen hat damit zu tun, wie ein Gemälde an der Wand hängt; üblicherweise hängen Gemälde, wenn es sich um Bilder handelt, mit unsichtbaren Verankerungen an der Wand, denn wir interessieren uns dafür nicht so sehr. Wir schauen auf das Bild in dem begrenzten Raum ... Meine Bilder hingegen existieren gar nicht richtig, wenn sie nicht als Teil der Wand an der Wand sind, als Teil des Raums.“ [3]
Rymans Arbeiten markieren einerseits eine Kontinuität in Hinsicht auf die Problematik von Seurats gepunkteten Rändern; eine Kontinuität, die darauf abhebt, wie Malerei Kontrolle über die Möglichkeiten ihrer eigenen Rahmung beanspruchen kann. Andererseits stellen sie Verbindungen mit Künstlern her (darunter Palermo, Oiticica, Buren), die auf direktere Weise Malerei mit ihrem architektonischen Behältnis zu vermitteln versuchten – „als Teil des Raums“. Es ist deswegen angemessen, Ryman als das Nonplusultra des Bild-als-Objekts zu identifizieren: nach ihm ist es nicht mehr möglich, damit noch weiter zu gehen, ohne es aufzugeben, oder zumindest ohne es schließlich durch Einbeziehung des umgebenden Raumes aufzulösen und ganz und gar zu einem „Teil des Raums“ werden zu lassen.
Weitere Mainstream-Beispiele des Bild-als-Objekts sind der Picasso des Stilllebens mit Chair-Caning (1912) oder Schwitters, Pollock, Rauschenberg, Johns et cetera. Aber der Vorteil, bei Seurat und Ryman zu beginnen, liegt darin, dass die Diskussion sich in Kategorien eines Wettbewerbs von Begrenzungen und Rahmungen entwickelt. Das Gemälde versucht dabei, seine eigenen Begrenzungsmarkierungen zugleich zu enthalten und zu verbildlichen. Ryman treibt dies bis ins Extrem, indem er die Halterungen einbezieht, die normalerweise mit einem Rand zusammenfallen würden, an dem das Bild auf den Raum seiner Präsentation trifft. Viele theoretische Texte [4] haben die Frage reflektiert, ob und wie eine begrenzte Einheit oder ein solches Feld generell seine eigenen Begrenzungen definieren kann, ohne sie zuerst zu überschreiten. Wenn allerdings die Überschreitung für eine Markierung der Begrenzungen notwendig war, dann muss es für die Einheit unmöglich gewesen sein, ihre Grenzen von innen zu bestimmen. Das Bild-als-Objekt erbte eben solch paradoxe Gesetzgebung, als es Souveränitätsrechte über seine Begrenzungen reklamierte. Es beanspruchte, die Beziehungen zwischen dem Bild und dem architektonischen Raum, in dem es präsentiert wurde, ausschließlich von innerhalb der souveränen Beschränkungen des Malens zu regeln. Das war auch die Hoffnung auf eine Vermittlung zwischen dem virtuellen Raum des Bilds und dem physischen Raum der Präsentation. Das Bild-als-Objekt maßte sich das unbescheidene Ziel dieser Vermittlung an. Das aber konnte immer nur ein prekäres Unterfangen sein.
Wenn Ryman der Künstler war, der das Bild-als-Objekt radikal materialisiert hat, dann war Donald Judd derjenige, der besonders klar die Spannung begriff, die ihm zugrunde lag. In seinem Text Spezifische Objekte erläuterte Judd, warum er Illusionismus in der Malerei nicht mochte. Das Problem war, dass die Markierungen in einem illusionistischen Bild sowohl reale Markierungen in einem realen Raum sein müssen wie auch Zeichen für eine virtuelle Interiorität. Ihnen fehlt es also an Integrität, sie sind nichts ganz vollständig. Judd identifizierte die Spannung zwischen (materiellem) Objekt und (immateriellem) Bild und zog es vor, diese Spannung aufzulösen, indem er sie auslöschte:
„Drei Dimensionen sind wirklicher Raum. Dadurch ist Schluss mit dem Problem des Illusionismus und des buchstäblichem Raums, Raum in und um Markierungen und Farben.“ [5]
Judd meint hier, dass der „Raum um“ Markierungen und Farben, den er realen Raum nennt, nicht als der glückliche Nachbar eines „Raums in“ diesen selben Markierungen und Farben, also in einem illusionistischen Raum bleiben kann. Judd fand einen Weg aus dem Bild-als-Objekt heraus. Er vertrat stattdessen das Objektals- Objekt. Das ging aber nur, sofern man bereit war, das Malen aufzugeben. Judd ist der exemplarische Fall, der zeigt, was in der Lücke passiert, die nach der Subtraktion des Malens bleibt, wenn dessen illusionistische Interiorität rigoros ausgelöscht wird. Dann bleibt nur noch eine Syntax der Exteriorität.
Ab ungefähr 1989 ist das Bild-als-Objekt neutralisiert, aber keineswegs in minimalistischer Manier. In einigen wesentlichen Beispielen kehrt die Malerei im Geist reiner bildlicher Illusion und sehr häufig als ungebrochene fortlaufende Oberfläche zurück. Der Begriff Verschwinden ist hier in einem doppelten Sinn gemeint. Er bezieht sich erstens auf diese Neutralisierung und Auflösung des Bildals- Objekts. Und dann zweitens auf das Verschwinden des Malers als präsentem und expressivem Urheber. In den letzten zwanzig Jahren mussten Künstler technische und intellektuelle Lösungen für die Dematerialisierung und Desinkarnation der Malerei selbst finden, um das Bild-als-Objekt zu neutralisieren. Die Grundlage für diese Desinkarnation ist eine zunehmend dringlichere Bekräftigung der Materialität der Präsentation geworden.
Die beiden exemplarischen Figuren in dieser Dialektik von Verschwinden und Präsentation sind Ad Reinhardt und Glenn Brown. Reinhardt scheint da nicht hineinzupassen, er käme eigentlich zu früh. Aber die Malerei verändert sich historisch auf unterschiedliche Weise, manchmal unmerklich wie ein Gletscher, manchmal in halsbrecherischem Tempo, und sie kommt immer wieder auf sich selbst zurück. Ad Reinhardt war vielleicht der erste Maler, der ahnte, dass die stärkste Herausforderung für die Malerei jenseits der Moderne die Aufgabe des Verschwindens sein würde. Dabei ist es wichtig, dies nicht mit den vielen Propheten des Endes in der Moderne zu verwechseln. Die Herausforderung in dieser neuen Aufgabe des Verschwindens war nicht und ist nicht einfach, eine Geste der Finalität zu vollziehen, sei sie nun poetisch (Lucio Fontana) oder zynisch (Yves Klein). Ganz wichtig ist, dass es niemals darauf ankam, Verschwinden ausdrücklich oder durch Metapher und Symbol zu erreichen. Das Problem war auf eine fundamentalere Weise strukturell: die Frage war, wie auf der Szene des Verschwindens eine Bildlichkeit erfunden werden konnte, und wie diese konsequenterweise als Operation konzipiert werden konnte, die auf der Dematerialisierung des Bildes beruhte. Reinhardt wollte ganz ausdrücklich Materialität aus dem Bild entfernen. Er forderte die „Redematerialisierung von Pigmentmaterie“. [6] In einem von artscanada organisierten Telefonseminar stellte Reinhardt 1967 eine Verbindung her zwischen seiner Entscheidung für die Farbe Schwarz und dem Wunsch, Materialität zu unterdrücken:
„Es gibt etwas an der Dunkelheit oder an der Schwärze, das ich nicht genauer festmachen möchte ... Und es hat nicht mit ... der Farbe der Materie zu tun.“ [7]
Von ungefähr 1960 an malte Reinhardt ausschließlich mit Schwarz. Er blieb seinem Gelöbnis treu, „das Malen über seine denkbaren, sehbaren, fühlbaren, begreifbaren Grenzen hinauszuführen“. [8] Über den entscheidenden Vorteil von Schwarz, vor allem Mattschwarz, für das Vorhaben der Dematerialisierung war er sich im Klaren. Aus seinen paradoxen Bemerkungen über den Raum in seiner meta-ironischen Polemik „Zwölf Regeln für eine neue Akademie“ (1957) geht klar hervor, dass er in seinen späten Arbeiten bewusst drei wesentliche Faktoren zusammenführte: Schwarz, Dematerialisierung und etwas, das wir als virtuelle Leere bezeichnen könnten:
„[Regel] 8. Kein Raum. Raum sollte leer sein, sollte nicht projizieren, und sollte nicht flach sein. ‚Das Bild sollte hinter dem Rahmen sein.’ “ [9]
Mit Schwarz war es möglich, dieser paradoxe Bestimmung näherzukommen. Es entmaterialisierte das Bild-als-Objekt. Anders als dieses waren Reinhardts schwarze Bilder „nicht flach“. Sie „projizierten“ auch nicht, waren allerdings unendlich fordernd. Und sie waren immer noch „hinter dem Bilderrahmen“. Die wahrlich aporetische Intensität dieser multiplen und widersprüchlichen Anforderungen lassen sich, so behaupte ich, am besten mit dem Konzept einer Bildlichkeit des Verschwindens erfassen.
Aus dieser Perspektive verstanden, verdankt die moderne Malerei Ad Reinhardt eine der entscheidenden Erfindungen. Erstmals wird hier Bildlichkeit aus dem Verschwinden entwickelt (im Unterschied zu dessen Symbolisierung). Sie entfernt das Licht selbst aus dem Bild und gelangt damit in einen radikalen Grenzbereich. Betrachter von Reinhardts schwarzen Bildern werden dazu gezwungen, viel länger hinzuschauen, denn das Auge braucht Zeit, um sich einzustellen und die Wahrnehmungsschwellen abzustimmen. In den 1960er-Jahren schickte Reinhardt ständig schwarze Bilder zu Ausstellungen, bei denen die Besucher sie berührten und auf diese Weise ihre fragilen, ultramatten Oberflächen markierten; [10] die Bilder wurden daraufhin in sein Atelier zurückgeschickt und häufig übermalt. [11] Die Betrachter reagierten darauf, dass es extrem schwierig zu bestimmen war, wo genau sich die Oberfläche der Leinwand im Raum befand. In einem glänzenden oder auch krustigen Bild fällt das Licht von der Oberfläche zurück, [12] und es ist gut sichtbar, wo die tatsächliche Leinwandfläche ist. Die reale Oberfläche lässt sich leicht von räumlicher Bildillusion unterscheiden. Bei Reinhardt aber gibt es nur eine grenzwertige chromatische Illusion, die ausdauerndes Hinschauen erforderlich macht. Die Oberfläche des Bildes selbst ist so matt, dass sie nahezu kein Licht zurückwirft; so wird es schwierig zu bestimmen, wo genau die Fläche ist. Das erklärt die auf den Bildern hinterlassenen Spuren. Die Betrachter mussten herausfinden, wo die Oberfläche tatsächlich war und das ging nur durch Berührung.
Reinhardt verbrachte einige Zeit damit herauszufinden, wie sich aus den Ölfarben der Glanz verringern ließe. [13] Indem er große Mengen des als Bindemittel dienenden Leinöls wegließ, gelang es ihm nahezu reines Pigmet auf seine Leinwände aufzutragen. Die Malschicht wurde dadurch extrem fragil. Das war der technische Preis, der für ein grenzwertig chromatisches Bild zu entrichten war, das seine eigene buchstäbliche Materialität verleugnen konnte, ohne den Umweg über irgendeinen geläufigen Illusionismus zu nehmen. Der erste Anblick eines schwarzen Bildes präsentiert den Betrachtern ein scheinbar homogenes schwarzes Quadrat. Nachdem das Auge sich darauf eingestellt hat, zeigt sich, dass das Bild aus neun quadratischen Teilen besteht, denen die Betrachter dann selbstgewiss die individuellen Primärfarben zuordnen können. Das anhaltende Schauen führt tendenziell dazu, dass die Erfahrung von Schwärze als solche ausgeklammert wird. Erst wenn man die Aufmerksamkeit wieder auf die weißen Wände richtet, die das Bild umgeben, begegnet man dem Bild erneut in seiner Schwärze und als homogen und in sich nicht unterteilt. Anders gesagt: Der volle Effekt dieser Bilder hängt von der Aufmerksamkeit für eine Interiorität oder Virtualität der Bilder ab, die zugleich belohnt wird. Die volle Wirksamkeit dieser Bilder hängt, anders gesagt, von einer Aufmerksamkeit für eine Interiorität oder Virtualität der Bilder ab, deren Bedingung die Abgrenzung des realen Raums der Präsentationsumgebung [display environment] ist. Diese Aufmerksamkeit wird gefordert, sie wird aber auch belohnt. Die drängende Interiorität setzte Reinhardts Arbeiten von denen seiner Zeitgenossen ab, die das Objekt-als-Objekt vorzogen.
Bildlichkeit als Verschwinden wurde von Reinhardt erprobt und stellt einen Weg dar, der sich sowohl vom Bild-als-Objekt als auch vom minimalistischen Objekt-als-Objekt unterscheidet. Verschwinden soll hier 1) das Verschwinden des Bild-als-Objekts und 2) das Verschwinden des expressiven Künstler-Autors bezeichnen. Beide Aspekte waren schon in Reinhardts Praktik und seiner Rhetorik von Verweigerungen und Anlehnungen deutlich. Auf eine viel strategischere Weise werden diese beiden Sinne des Verschwindens im Werk von Glenn Brown deutlich und vor allem in den an Frank Auerbachs Porträtköpfen angelehnten Arbeiten, die er seit den frühen 90er-Jahren gemacht hat.
Die Auerbach-Serie begann in den frühen 90er-Jahren als weitgehend technische Übungen in kontrollierter und verflachter Reproduktion. Brown hat die Wirkung beschrieben, die Sherrie Levines Werk auf ihn hatte und er hat auch die Wichtigkeit von Arcimboldo betont. Möglichkeiten deuteten sich an, indem man ein Arcimboldo- Porträt als „ein Gemälde einer Skulptur einer Person“ sehen konnte, „die aus Fisch besteht, wenn das Sinn macht“. Er verglich das mit seiner eigenen Malerei:
„Ich versuchte also ein Gemälde der Skulptur einer Person, die aus Farbe bestand. Es entstand eine Person, die wie aus Pinselstrichen gemacht war.“ [14]
Die Konzeption der Arbeit als ein Gemälde einer Skulptur ist entscheidend. Denn sie hält Materialität auf Abstand zum Gemälde, und indem sie das tut fiktionalisiert sie die Materialität. In den von Auerbach ausgehenden Bildern wird Materialität bildlich dargestellt, um weggeschafft und ausgelöscht zu werden. Die Bilder werden durch ihre feinsäuberliche Abbildung von Materialität entmaterialisiert. Der intensive bildliche Effekt dieser Gemälde ist in dem Paradox enthalten, dass Erscheinung durch Verschwinden geschaffen wird. Es ist die Schöpfung einer Erscheinung durch die Subtraktion einer Materialität. Aber das ist nicht alles. Es wäre nicht ganz richtig, würde man sagen, dass das Endprodukt von Browns Malerei eine Bedingung reiner Dematerialisierung ist. Vielmehr operieren die Bilder als die materiellen Orte einer Subtraktion von Materialität.
Wir haben es hier mit einem Verschwinden des Gemäldes als eines selbstgenügsamen Dinges in der Welt zu tun. Das Bild verschlingt sich beinahe selbst in seiner Beziehung zu dem Werk von Auerbach, das es zitiert. Fast, aber nicht ganz. Etwas verbleibt, das etwas Neues ergibt, das über das Zitieren hinausgeht. Seit ungefähr 2000 gibt es eine evidente Veränderung. Die Klumpen von trompe l’oeil-Pinselstrichen, die Auerbachs Figuren ausmachen, haben begonnen, sich abzuheben, sie schweben in schattigen Aushöhlungen, beginnen sich aufzulösen. Brown spielt jetzt viel freier: Wir sind eingeladen, hinter den Rücken der Pinselspur zu blicken. Sie scheinen auf diese Weise eine Maske für eine Figur zu bilden, die ausgehöhlt wurde. Wie Reinhardt geht auch Brown auf das ein, was sich als die vielleicht anspruchsvollste Problematik der zeitgenössischen Malerei erwiesen hat: Bildlichkeit aus der Dematerialisierung des Bild-als-Objekts abzuleiten.
Es ist ein Gemeinplatz, dass eine der wichtigsten Veränderungen in der späten modernen Kunst mit der Veränderung des Status der Ausstellung zu tun hat. Brian 9 O’Doherty schrieb in den 1970er-Jahren über die Veränderung der Rolle des Galerieraums:
„Die Geschichte der modernen Kunst kann mit Veränderungen dieses Raumes und der Art und Weise, wie wir ihn wahrnehmen, in Wechselbeziehung treten. Wir sind nun an dem Punkt angelangt, an dem wir nicht zuerst die Kunst betrachten, sondern den Raum.“ [15]
Es gab einen einschneidenden Wandel in der die Ausstellung, die einmal ein Modus öffentlicher Distribution von Kunst gewesen war, zu einem privilegierten Modus von deren Produktion wurde. Heute wird diese Tatsache weithin verstanden, aber immer noch mangelt es an kritischem Denken über deren Konsequenzen für die Malerei. Es war der Aufstieg der Ausstellung, der das Bild-als-Objekt an ein Ende brachte. Zunehmend nahm die Ausstellung die Position des dominanten Modus und Ortes der Kunstproduktion ein (und nicht bloß ihrer ex post facto-Distribution) ein. Und so schwand die Glaubwürdigkeit des Bild-als-Objekts, das aus der Vermittlung zwischen Bildlichkeit und Präsentationsraum erwachsen war. Eine zentrale Behauptung dieses Essays ist, dass die effektivste neuere Malerei durch eine duale Logik geprägt ist, der zufolge 1) Malerei sich selbst desinkarniert und 2) ihre Dematerialisierung mit der Aktivierung des Raumes der Präsentation verbindet. Ich komme nun zu dem zweiten Strang dieser Dualität.
In den 1990er-Jahren bastelte Michel Majerus sich eine Reputation als Erfinder von energiegeladenen Malinstallationen zurecht. Seine Originalität lag in der Fähigkeit, ein Gefühl ekstatischer Nichtauthentizität mit einer analytischeren Reflexion der Möglichkeitsbedingungen des Ausstellungsformats selbst zu verbinden. In seinen Soloschauen wie demand the best, don’t accept excuses bei Monika Sprüth (Köln 2000), bediente sich Majerus seiner charakteristischen Taktik, eklektische Bilder und Reliefs in exorbitante Präsentationsstrukturen einzubinden, die sehr ausdrücklich den Raum der Ausstellung strukturierten. Sie taten dies, indem sie den Raum lauthals einnahmen und stilisierten. Demand the best don’t accept excuses enthielt drei große, Gemälden ähnliche Dinge an den Wänden: eines war ein gefühlsbetontes Pastiche von de Kooning; ein weiteres ein Aluminium-Relief mit einem Zusammenspiel von gefärbten Scheiben, die auf ihren negativen Äquivalenten angebracht waren; das dritte trug die Worte des Ausstellungstitels in einer Mischung aus gestischer Abstraktion und Pastiche-Reklame. Elegante, aber aufdringliche weiße Pfeiler verliefen parallel über den Boden und trafen sich mit einem lotrechten Pfeiler, der den Boden in Sektionen teilte. Das Publikum musste über sie drübersteigen.
Bei Majerus stellte sich immer das Gefühl ein, dass das Konzept der Ausstellung die Bilder zu überwältigen drohte – nicht nur wegen seiner enormen Attraktivität, sondern auch, weil es das Gefühl vermittelte, viel weniger zufällig zu sein als die Bilder, die es enthielt. Das hatte damit zu tun, dass es eine evident pragmatische Logik gab, mit der das Installationsdesign erkennen ließ, wie es die umgebende Architektur vermaß und interpretierte. In Majerus’ letzter Ausstellung für neugerriemschneider in Berlin im Jahr 2002 controlling the moonlight maze waren die Bilder wie üblich schnell, witzig, eklektisch und resolut antihumanistisch; sie schienen vor allem ihre gewollten Dissonanzen und ihre Unterschiedlichkeit zu zeigen, und nur in dieser Weise ergaben sie ein Ensemble. Einzeln genommen fehlte den Bildern die Intensität und Autorität des Ausstellungskonzepts. Hier lohnt es sich allerdings, die relative „Oberflächenlosigkeit“ der vier „Gemälde“ in controlling the moonlight maze (Abb. 4) hervorzuheben. Anders gesagt, auch hier macht es Sinn, von einer vergleichsweisen Dematerialisierung der Bilder und ihrer Oberflächen zu sprechen. Zudem erfordert die Frage nach der Zufälligkeit der Bilder, im Gegensatz zu der offensichtlichen Motivierung der Präsentation, eine nähere Bestimmung. Wenn die Austauschbarkeit und der Hyper-Eklektizismus der Bildinhalte der Bilder als Äquivalent zum Web-Browsing verstanden wird, dann gewinnt diese Zufälligkeit selbst an Signifikanz. Diese Interpretation erscheint für Majerus ausgesprochen sinnvoll. Für diesen Text ist es zudem bedeutsam, dass das Internet ein unendliches Repertoire an Bildern ist, die räumlich nie einzigartig sind. Im Vergleich mit der räumlichen Instanziierung der Präsentation erscheint die unbegrenzte Bilddatenbank des Internets als ein entscheidender Horizont für heutige Dematerialisierung. Majerus’ Projekt lässt sich als ein überschwänglicher Versuch verstehen, die Konsequenzen dieses Umstands für die Malerei zu durchdenken.
Natürlich gibt es noch andere Wege als den hier beschriebenen, der auf Desinkarnation der Malerei und Aktivierung der Präsentation hinausläuft. Das Werk von Wade Guyton unterscheidet sich von dem Modell Desinkarnation/Aktivierung der Präsentation, es gibt aber auch eine Menge Gemeinsamkeiten. Es entwickelt eine Art Dematerialisierung, die sich allerdings von der in diesem Text vorgeschlagenen unterscheidet. Guyton markiert typischerweise Leinwände (aber auch gefundenes Papier und Druckerzeugnisse), indem er einen Epson-Tintenstrahldrucker verwendet. Er beginnt mit einem digitalen File und druckt davon viele Versionen. Daraus entstehen bedruckte Leinwände, die eine träge, ultraflache und minimal gekrümmte Oberfläche mit tonalen Variationen haben. Jede ist in gewisser Weise einzigartig. Kleine Unterschiede darin, wie sich die Siebdruck-Farbe auf der Leinwand niederschlug, brachten spezifische „Einzigartigkeiten“ in der ansonsten seriellen Bildwelt Warhols hervor. Guyton arbeitet in ähnlicher Weise im technischen Grenzbereich seines Druckers. Die formelhaften Markierungen oder Formen, die er wählt, etwa ein X oder schwarze Rechtecke, brechen manchmal auseinander, zeigen Risse oder werden nicht vollständig auf die Leinwand übertragen. So ergeben sich Details lokaler Einzigartigkeit. Guytons schwarze Bilder, die 2007/2008 in New York, Paris und Frankfurt gezeigt wurden, sind Übungen für die Untersuchung lokaler Diskrepanzen zwischen einzelnen Kopien mit demselben Ausgangsmaterial.
Diese Bilder setzen tatsächlich eine gewisse Dematerialisierung in Szene hinsichtlich einer Dialektik aus digitalem Original und gedruckter Wiederholung. Aber die einzelnen Leinwände sind nicht weniger Material als ein Dripping von Pollock. Der Verzicht auf den menschlichen Körper als Urheber von Markierungen und seine Ersetzung durch den Drucker ist natürlich eine gewichtige Ansage. Aber es ist nicht notwendigerweise eine dematerialisierende Ansage. Man könnte von einer ausgedünnten Materialität sprechen, vielleicht sogar eine „Nullpunkt“-Materialität, aber sie ist immer noch irreduzibel materiell. Der Effekt der Arbeit hängt weiterhin von der Ästhetik der konkretisierten, materiellen Oberfläche in Fortgang der späten Moderne, monochromer Malerei und so weiter ab; und von einer materialisierenden Logik, in der sie (beinahe wie eine krude Illustration der Deleuz’schen Dualität von aktuell und virtuell) die wiederholende Materialisierung ist, die tatsächliche Einzigartigkeit auf der Leinwand produziert.
Manche Kommentatoren verbinden mit der Aufteilung von Guytons Arbeiten zwischen der digitalen Quelle auf dem Computer und der Wiederholung der Dateiinformation durch den Drucker einen kritischen Anspruch. John Kelsey schreibt: „Das erste, was das Werk hinter sich lässt, ist der Akt des Malens und damit seinen manuellen Raum. [... ] Der Raum des Werks ist nun nicht länger optisch oder manuell, sondern kommunikational, er schreibt sich entlang eines Netzwerks fort, das einen Apparat mit dem anderen verbindet. Das Objekt in der Galerie ist nun wie eine Hardcopy ... und was wir sehen, ist vielleicht nicht so sehr ein gemaltes Bild, sondern ein Rendering.“ [16] Das ist bis zu einem gewissen Punkt akkurat beschrieben. Aber es übersieht, wie tiefgehend sich Guytons Werk weiterhin den Stilen und Mitteln des spätmodernen Formalismus verdankt. Seine Erfolge auf dem Markt und in den Institutionen sind sicher in hohem Maß die Folge dessen, dass das Werk eine spektrale Version eines vertrauten Formalismus mit Elementen von kontextueller Kritik zusammenführt, und diese wiederum mit einem Diskurs technischer Reproduzierbarkeit verbindet. Das ist nicht nichts. Aber in Guytons Position bleibt etwas Inkonsequentes. Sie vermittelt den Eindruck einer Kritik, die ihre Manöver zu gut kennt und die diskursiven Gewohnheiten seines Publikums allzu schnell ausmacht.
Viele von Guytons interessantesten Arbeiten beruhen auf einer Kollision von spätformalistischem Stil und digitaler Reproduktion. Die Kollision ist das, was sich daran frisch anfühlt. Zugleich ist es die Dualität kollidierender Begriffe, die es erlaubt, dass die stilistischen Mittel für selbstverständlich genommen und als überlieferte Formen in Guytons Werk verstanden werden können. Zweifellos kann es dafür eine Menge kritischer Alibis geben. Was immer sie sein mögen, dem Werk fehlt bei aller offensichtlicher strategischer Intelligenz etwas piktorial Neues. Die Reaktion auf Guyton hängt davon ab, wofür genau man das Werk hält: Sind es einzelne Bilder, oder ganze Werkgruppen, die mit einer elektronischen Nabelschnur an ihrer digitalen Ausgangsdatei hängen? Kritische Ansprüche an das Werk können nur Letzteres annehmen. Die einzelnen Arbeiten werden dadurch in gewissem Sinn zu Platzhaltern. Kelsey hat Recht, wenn er hervorhebt, dass die Arbeiten „manuellen Raum“ aufgeben, insofern sie ihn durch maschinellen Raum ersetzen. Aber während Reinhardt, Brown und Majerus die Taktilität des Malens dematerialisierten oder (wie im Falle Browns) sie auf das entfernte Ende des Bühnenrahmens des Bildes verlagerten, verwandelt Guyton die Taktilität von einer händischen in eine maschinelle. Er ordnet sie also neu zu, entmaterialisiert sie aber nicht.
Mit der aberwitzig klingenden Trias Reinhardt, Brown und Majerus habe ich versucht zu skizzieren, was Malerei sein könnte und wie es mit ihr weitergehen könnte, wenn sie das Bild-als-Objekt in einer Bewegung in die Desinkarnation auflöst. Wenn wir den Konturen dieser Beispiele in all ihrer merkwürdigen und entpflichtenden Originalität folgen, dann finden wir keine leichten, glückhaften Lösungen und keine säuberlichen Fallstudien für das Lehrbuch. Die übergreifende Diagnose einer Desinkarnation der Malerei, die auf eine Materialisierung des Raumes der Präsentation ausgerichtet ist, bleibt gültig, so behaupte ich, auch wenn es nur wenige Beispiele gibt, die zeigen, wie Künstler alle Aspekte meiner Darstellung zugleich an den Tag legen. Die drei Namen der Triade sind jeweils konsistent mit einer Desinkarnation der Malerei und einer damit korrespondierenden Verlagerung der Last der Materialität – weg vom Bild und hin zum Raum der Präsentation. In Glenn Browns Fall wird diese Verlagerung mehr oder weniger buchstäblich gemacht, wenn er skulpturale Blasen in die beständigen Oberflächen seiner superflachen Bilder integriert.
Durch die kritische Affirmation von Brown und Reinhardt und die Herleitung eines ihnen gemeinsamen Vorhabens in ihren sehr unterschiedlichen malerischen Projekten habe ich versucht, einen heutigen Horizont für Malerei zu entwerfen, der sowohl von der Moderne als auch von der stilistischen Postmoderne unterschieden ist. Ich beschreibe ein Vorhaben, Bildlichkeit aus dem Verschwinden zu gewinnen; dabei behaupte ich, dass dies sowohl ohne Vorbild wie auch ontologisch ambitioniert ist. Aber das Zusammenkommen der Dematerialisierung der Malerei mit der Materialisierung der Präsentation ist keine glückliche Partnerschaft. Sie ist angespannt, konflikthaft, unlösbar. Bilder müssen präsentiert werden, sie müssen öffentlich werden, damit man über sie sprechen kann. Aber als bildliche Begebenheiten sind sie ontologisch von dem Raum der Präsentation als solchem unterschieden und haben damit nichts zu tun. Oder jedenfalls fast. Neuerlich muss man hier das „fast“ betonen, denn das dematerialisierende Verfahren, das ich bei Brown und Reinhardt als beispielhaft beschrieben habe, ist nicht gänzlich total: es beruht auf der Bekräftigung von Bildern als materiellen Orten für die Subtraktion von Materialität. Auch das ist etwas, was in der heutigen Malerei ohne Vorbild ist.
(Übersetzung: Bert Rebhandl)
© John Chilver
Anmerkungen
1 Gertrude Stein, Picasso. Erinnerungen, Zürich 1985, S. 17
2 John Russell, Seurat, London 1965, S. 206
3 Ryman in Robert Storr (Hg.) Robert Ryman. London, New York 1993, S. 156 (Hervorhebung von mir)
4 Fragen dieser Art tauchen in der Problematik von Wittgensteins Tractatus auf und kehren in den späteren Philosophischen Untersuchungen wieder. In einem anderen philosophischen 14 Moment und Register werden sie in Derridas Limited Inc. und Die Wahrheit in der Malerei wieder in den Vordergrund gerückt.
5 Donald Judd, „Spezifische Objekte“, in: Minimal Art. Eine kritische Retrospektive, hg. von Gregor Stemmrich, Dresden 1995, S. 68
6 In seinen Art Planks: Programs for „Program“ Painting (Art-as-Art Dogma, Part VII), die zuerst 1963 in Art Voices erschienen und auf dem „Destruction in Art“-Symposium in London 1966 verlesen wurden, führt Reinhardt auch die „Redematerialisierung der Pigment-Materie“ auf. Reinhardt, Art as Art. The Selected Writings of Ad Reinhardt, hg. von Barbara Rose, Berkeley und Los Angeles 1991, S. 69. „,Dematerialisierung’ war ein Begriff, den Reinhardt verwendete, als er über seine späte Malerei spekulierte.“ Michael Corris, Ad Reinhardt, London 2008, S. 136
7 Reinhardt, „Black as Symbol and Concept“, in: Reinhardt, Art as Art: The Selected Writings of Ad Reinhardt, hg. von Barbara Rose, Berkeley und Los Angeles 1991, S. 87. Letzte Hervorhebung von mir.
8 Reinhardt, unveröffentlichte, undatierte Notizen, ebd., S. 104
9 Reinhardt, Twelve Rules for a New Academy, 1957, ebd., S. 206
10 „1963: Sechs Bilder in New York und sechs Bilder in Paris werden angefasst und müssen durch Absperrung vor den Besuchern geschützt werden. 1964: Zehn Bilder in London werden angefasst.“ Reinhardt, Chronology, ebd., S. 8. Siehe auch Yve-Alain Bois, The Limit of Almost, in: Ad Reinhardt, Ausst.-Kat. Museum of Modern Art, New York und Museum of Contemporary Art, Los Angeles 1991, S.12: „Reinhardt wurde schließlich eingeladen, einige seiner neuesten Arbeiten zu einer der „Selection“-Schauen des Museum of Modern Art zu schicken (,Americans 1963’) ... Einmal mehr jedoch konnte Reinhardt sich schlecht präsentiert fühlen ... Die Bilder waren schlecht angebracht (viel zu stark ausgeleuchtet, hinter einer Absperrung, und viel zu hoch gehängt, so dass die Leute sie nicht berühren konnten).“ Letzte Hervorhebung von mir.
11 „1967 hatte Reinhardt die Grenzen der Schwärzung der ,schwarzen’ Bilder erreicht. Effekte, die in Arbeiten aus 1964 besonders lebendig und deutlich kontrolliert waren, wichen nun Bildern, die so dunkel waren, dass sie als unvermittelt monochrom erschienen. Es ist wahrscheinlich, dass Reinhardt dies schrittweise in der Praxis des Restaurierens herausfand. Er übermalte buchstäblich beschädigte Arbeiten. In Verbindung mit seinem Interesse, herauszufinden, wie dunkel ein ,schwarzes’ Bild werden konnte, bevor es ,scheiterte’, ergab der Prozess der Restaurierung paradoxerweise die dunkelsten Arbeiten in der Serie von Bildern, in 1960 begann.“ Michael Corris, Ad Reinhardt, London 2008, S. 147 Und Lippard: „Das größte Hindernis in der genauen Datierung (von Werken) liegt in der Fragilität der späteren Bilder, die wirklich jedes Mal, wenn sie ausgestellt wurden, Schaden nahmen. Sobald sie wieder im Atelier waren, wurden sie nach dem ursprünglichen Konzept und in denselben Farben und Tonalitäten nachgemalt. Diese waren für solche Notfälle aufgehoben und etikettiert worden“. Lucy R. Lippardt, Ad Reinhardt. New York 1981, S. 114
12 Reinhardt sprach oft von seinem prinzipiellen Missfallen gegenüber glänzenden, reflektierenden Maloberflächen. Zum Beispiel: „Die Versiegelung sollte keinen Glanz enthalten. Glanz reflektiert die veränderliche Umgebung und bezieht sich auf sie.“ Aus: Twelve Rules for a New Academy, Reinhardt, op.cit., S. 207. Ode auch hier: „... das glänzendere, texturhaftere, gummige ist eine Art zurückzuweisender Qualität in der Malerei. Es ist einer der Gründe, warum ich zu Mattschwarz übergegangen bin ... Wenn man eine glänzende, schwarze Oberfläche betrachtet, wirkt sie wie ein Spiegel. Sie reflektiert all das, 15 was in einem Raum vor sich geht. Das heißt, sie ist nicht für sich.“ Aus Black as Symbol and Concept, in: Reinhardt, op.cit., S. 87
13 „Der Effekt ..., der bald auch die roten Bilder betraf und zu den frühesten ,schwarzen’ (roten, grünen und blauen) führte, bestand darin, das Öl aus der Farbe zu entfernen. Die leicht gräuliche, matte Oberfläche ließ Ungleichheiten in der Farbschattierung weiter an Bedeutung verlieren. Reinhardt wurde es dadurch möglich, zum Beispiel Ocker in den Bereich von ,Schwarz’ zu überführen. Das Motiv für eine solche Zerstörung von geläufigen Farboberflächen (durch die seine Arbeiten extrem anfällig durch Kontakt mit allen öligen Substanzen wurden, vor allem Fingerabdrücke) war, dass ihm Licht schließlich wichtiger wurde als Farbe, wie man sie gemeinhin versteht.“ Lucy R. Lippard, Ad Reinhardt, New York 1981, S. 97–102
14 Glenn Brown, Gespräch mit John Chilver, 28. Mai 2008
15 Brian O’Doherty, In der weißen Zelle. Inside the White Cube, Berlin 1996, S. 8 f
16 John Kelsey, „100 %“, in: Wade Guyton: Black Paintings, Zürich 2010 (keine Seitenzahlen).
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